REFINA-Querschnittsthemen-Workshop: „Werkzeuge für die Ermittlung von kommunalen Folgekosten der Flächeninanspruchnahme“
19.09.2008
REFINA-Workshop zum Querschnittsthema „Ökonomische Instrumente“
Am 19. September 2008 fand beim Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen (ILS) in Dortmund ein Workshop statt, bei dem Werkzeuge und Bewertungsansätze für die Ermittlung von kommunalen Folgekosten der Flächeninanspruchnahme vorgestellt wurden. Es wurden die in verschiedenen REFINA-Vorhaben sowie von externen Forschungsgruppen entwickelten Tools am konkreten Berechnungsbeispiel demonstriert sowie die darin betrachteten Kosten- und Nutzenbereiche erläutert. Weiterhin wurden die jeweils gewählten Abbildungswege und -formen dargestellt.
Es waren Vertreter/innen von sechs REFINA-Vorhaben anwesend: FIN.30, komreg, LEAN2, Kostentransparenz, regionales Portfoliomanagement und SINBRA. Hierzu zählten auch kommunale Vertreter/innen aus Bergkamen (LEAN2) und Erftstadt (FIN.30). Ebenso nahmen Vertreter des REFINA-Begleitkreises und des Projektträgers Jülich am Workshop teil. Beiträge externer Referenten - Prof. Dr. Dirk Löhr und Dirk Mühlleitner vom UmweltCampus Birkenfeld sowie Saskia Wiedemann von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen - rundeten das Programm ab. Am Workshop nahmen insgesamt 24 Personen teil.
Es wurden folgende Werkzeuge vorgestellt:
- Tools des REFINA-Vorhabens „Kostentransparenz“ zur Abschätzung von Folgekosten der Wohnsiedlungsentwicklung durch Dr. Jens-Martin Gutsche (Gertz Gutsche Rümenapp Stadtentwicklung und Mobilität GbR): Für Haushalte wird ein Instrument zur Abschätzung von Wohn- und Mobilitätskosten bei Wohnstandortentscheidungen entwickelt. Für Kommunen werden Kosten der sozialen Infrastruktur und der technischen Infrastruktur in einem Modell betrachtet.
- Aufbau und Gestalt des LEAN kom - Tools durch Katharina Krause-Junk (ILS) und Achim Tack (PLANERSOCIETÄT): Ziel des Tools ist die fiskalische Bewertung kommunaler Wohnsiedlungsgebiete. Es werden Ausgaben und Einnahmen von Neubaugebieten betrachtet. In das Modell ist eine kleinräumliche Bevölkerungsprognose integriert. Betrachtet werden die Gebietserschließung, Folgeeinrichtungen, Bauland und Finanzierung, Steuern und Finanzausgleich und sonstige Kommunalfinanzen (Overhead-Effekte).
- fokos bw: Software zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit von Wohngebieten im Praxistest durch Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis (Institut für Stadt- und Regionalentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen) und Saskia Wiedemann (Institut für Angewandte Forschung, Abteilung Landschafts- und Umweltplanung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen): Das Tool betrachtet die zurechenbaren Aufwendungen einer Wohngebietsentwicklung vom Grunderwerb über die Planung, Vorbereitung und den Bau der technischen Infrastruktur bis zum Abverkauf der Grundstücke und dem Abschluss der Besiedlung des Gebietes durch die neuen Bewohner.
- Fiskalische Wirkungsanalyse im Rahmen einer Flächenrevitalisierung durch Prof. Dr. habil. Dirk Löhr, Daniel Mühlleitner (UmweltCampus Birkenfeld): Die hier vorgestellten Ergebnisse sind Teil einer an einem Fall durchgeführten konkreten Kalkulation. Die Berechnungen konzentrieren sich auf fiskalische Wirkungen (Grundsteuer, Zuweisungen, Umlagen) spezifiziert für ein Brachflächenrevitalisierungs-Vorhaben in der Landeshauptstadt Stuttgart. Gesondert herausgearbeitet wurden in der Präsentation Verfahrensweisen zur ökonomischen Bewertung derartiger Vorhaben.
- Werkzeuge zur Kostenabschätzung auf regionaler Ebene durch Anke Ruckes (RWTH Aachen, Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr) und Timo Heyn (empirica GmbH): Das Modell konzentriert sich auf das Flächenmanagement im Bereich Wohnen und Gewerbe in der Wohnregion Bonn. Es soll eine Entscheidungshilfe für die räumliche Siedlungsentwicklung liefern, indem es eine vergleichende Bewertung eines Pools von Potenzialflächen in der Region ermöglicht. Hierfür werden Kosten- und Nutzendimensionen, Belastungsstufen und Impulseffekte von Flächenentwicklungen abgebildet.. Der Ansatz folgt dem Gesamtziel, Flächen zu sparen und ökologischen Qualitäten zu erhalten. Darüber hinaus sollen Infrastrukturkosten optimiert werden.
- Szenarien zur Wirtschaftlichkeit der Baulandbereitstellung in der Region Freiburg durch Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis (Institut für Stadt- und Regionalentwicklung (IfSR) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen): Gegenstand der Präsentation war die Darstellung und Diskussion von Szenarien der Siedlungsentwicklung unter Einbeziehung von bestehenden Flächenpotenzialen. Auf Basis zuvor ermittelter Baulandpotenziale in 11 Beispielgemeinden wurde das Wohnbaulandpotenzial der Region hochgerechnet. Weiterhin wurde in einem Diskussionsprozess eine Aktivierungsmatrix für die einzelnen Potenzialtypen erarbeitet. Szenarien zur Abbildung der Angebots- und Nachfrageseite der Wohnflächenentwicklung wurden erstellt. Als Ergebnis werden Entwicklungskorridore der Flächenbedarfe im Außenbereich und der Flächenpotenziale im Innenbereich abgeleitet.
- Kostenoptimierung in der Flächennutzungsplanung - ein Kalkulationsmodell für die Bewertung potenzieller Wohnbauflächen durch Benedikt Frielinghaus (Professur für Städtebau und Bodenordnung, Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn): Das Projekt umfasst zwei Bausteine. Zum einen wird ein Bewertungsrahmen mit ökologischen, städtebaulichen, sozialen und ökonomischen Kriterien entwickelt, der eine Zusammenführung von Kostenkalkulationen für alle potenziellen Baugebiete sowie einen Vergleich innerhalb derselben Bebauungsstruktur ermöglicht. Darauf aufbauend wird ein kostenorientiertes Umlageverfahren erarbeitet.
In Kleingruppen wurden Fragestellungen zur Bevölkerungsmodellierung und zu verschiedenen Kostenaspekten in den Tools vertieft diskutiert.
Thematisiert wurden u.a. die Rolle von Haushaltszusammenhang, Haushaltseinkommen und Haushaltsalterung in den Modellen sowie die Verteilung der Bevölkerung z,B. auf Einrichtungen der sozialen Infrastruktur. Dargestellt wurde die in LEAN kom praktizierte Verkopplung von Haushaltseinkommensdaten aus dem sozio-ökonomischen Panel mit den Daten zur baugebietsbezogenen Zusammensetzung der Bevölkerung.
Im Zentrum weiterer Diskussionen in den AGs standen kostenrelevante Stellschrauben wie die Aufsiedlungsgeschwindigkeit, das jeweilige Baulandmodell, die Finanzierungskosten und die Kosten für die Anpassung der sozialen Infrastruktur. Problematisiert wurden Fragen der äußeren Erschließung wie die hierfür nutzbaren Standards und ihre Validität sowie der diesbezügliche Mangel an Praxiswerten. Möglicher weiterer Forschungsbedarf wird in der Standardisierung der Anwendereingaben bei verschiedenen Abbildungsmodellen gesehen.
Weiterhin wurden mögliche zu berücksichtigende Overheadeffekte und Aspekte des kommunalen Finanzausgleichs erörtert. Als relevante Overheadeffekte wurden u.a. der Konsum durch das zusätzliches Durchschnittsteinkommen im Neubaugebiet, Sekundäreffekte aus innergemeindlichen bzw. übergemeindlichen Umzügen/Wanderungen und Veränderungen der Konsumquote betrachtet. Für die monetäre Bewertung ökologischer Effekte bestehen bisher keine praxisanwendbaren Modelle, so dass diese im Moment nicht relevant für eine Integration in Tools zur Kosten-Nutzen-Betrachtung erscheinen. Einzelne Schwellenwerte z.B. zur Anpassung von besonderen Infrastrukturen sollten einer einzelfallbezogenen Betrachtung unterliegen und können nicht in einem Tool abgebildet werden bzw. würden ein Tool überfrachten. Beim kommunalen Finanzausgleich sind je nach Bundesland differenzierte Ansätze zu wählen.
In der Abschlussdiskussion wurden die Ergebnisse der Kleingruppenarbeit im Plenum vorgestellt und die Frage des weiteren Forschungsbedarfs erörtert.
Angesprochen wurden Aspekte der möglichen Steuerungswirkungen der Tools innerhalb von Kommunalpolitik und -verwaltung, insbesondere deren Integration in kommunale Planungs- und Entscheidungsprozesse. Wenngleich die besondere Stärke der Tools in der Fokussierung auf Wirtschaftlichkeitsaspekte liegt, wird deutlich, dass die Wirtschaftlichkeit von flächenbezogenen Planungen nur ein Aspekt in einem komplexen kommunalen Abwägungsprozess ist.
Weiterhin wurde über notwendige Begleitinformationen für den Einsatz der EDV-gestützten Berechnungstools in die Praxis diskutiert. Weiterer Forschungsbedarf wird bei der Ermittlung von Kostenkennwerten, der Entwicklung von Ansätzen zur Integration der Kosten-Nutzen-Betrachtung in Planungs- und Entscheidungsprozesse, bei der Anstellung von Sensitivitätsanalysen, bei der Konzentration auf die wichtigen Indikatoren und bei der Auswertung von Baulandmodellen in Bezug auf ihre Wirkung auf Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen gesehen. Bislang fokussieren die Tools vorrangig die Wohnsiedlungsentwicklung. Mögliche Betrachtungsgegenstände für die Weiternetwicklung von Tools könnten Kosten- und Nutzenbetrachtungen von Gewerbeflächen oder Fragen des Rückbaus von Siedlungsflächen sein.
Kontakt:
Thomas Preuß, Tel. 030/39001-265