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Seminarbericht: Bilateral German-Polish REFINA workshop: “Research and model projects on suburbanization and land consumption”

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Workshop im Rahmen des Förderschwerpunkts “Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement (REFINA)” gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Protokoll zum Workshop am 6. und 7. November 2009 in Gdańsk (Poland)


Programm des zweitägigen Workshops

Freitag, 6. November 2009

10.00 - 12.30  Busexkursion in der Tricity (Gdańsk - Sopot – Gdynia)
13.30 - 14.00  Begrüßung und Einführung in den Förderschwerpunkt REFINA
14.00 - 15.45  First session: Planning instruments and urban policies of Poland and Germany concerning land consumption and suburbanization
16.00 - 17.00  Second session: REFINA research on monitoring land use
17.00 - 18.00  Third session: REFINA research on cooperative development of industrial real estates

Samstag, 7. November 2009

09.15 - 11.15   Fourth session: REFINA research on cooperation in regional and urban planning
11.30 - 13.15  Fifth session: REFINA research on the new practices of inner-city development
13.30 - 14.00  Conclusions and Closing Remarks


Ausführliches Programm des Workshops: 2009-11-06-gdansk-programm.pdf (pdf, 120 kB)


Freitag, 6. November 2009

Busexkursion in der Tricity (Gdańsk - Sopot – Gdynia) (Dr. Karolina Krośnicka)

Fotos: Exkursion

Um die Situation der räumlichen Entwicklung in polnischen Städten kennenzulernen führte die von Frau Dr. Krośnicka vorbereitete und geleitete Busexkursion durch die Tricity (Gdańsk - Sopot – Gdynia). Ein Eindruck von dem erheblichen Siedlungsflächenwachstum in der Region wurde durch die Vorstellung beispielhafter Neubauprojekte vermittelt. Hierzu zählte auch das Gespräch mit einem Investor, der einige seiner Neubauprojekte in der Stadt Danzig (Konversionsfläche) und am Stadtrand (Wohnen auf der Grünen Wiese) vorstellte.


Begrüßung und Einführung in den Förderschwerpunkt REFINA

Dr. hab. Piotr Lorens (TU Gdańsk Wydział Architektury Politechniki Gdańskiej, Katedra Urbanistyki i Planowania Przestrzennego/Gdańsk University of Technology, Faculty of Architecture, Department of Urban Design and Regional Planning) begrüßte die Workshopteilnehmerinnen und ‑teilnehmer und äußerte die Erwartung, dass die polnischen Expertinnen und Experten neue und umsetzbare Lösungsansätze kennen lernen, die in der polnischen Planungspraxis im Sinne eines nachhaltigen Flächenmanagements angewendet werden können.

Stellvertretend für den polnischen Planungsverband TUP (Gdańsk Towarzystwo Urbanistów Polskich/Gdańsk Society of Polish Town Planners) begrüßten Dr. Karolina Krośnicka (AM Akademia Morska w Gdynia/Gdynia Maritime University) und Dr. Maria Kiełb-Stańczuk (WKU_A Wojewódzka Komisja Urbanistyczno-Architektoniczna, Województwa Pomorskiego/Regional planning Pomeranian Voivodship) die Veranstaltungsgäste.

Fotos: Piotr Lorens, Dr. Karolina Krosnicka, Dr. Maria Kielb-Stanczuk
Foto: Maike Hauschild

Maike Hauschild (Projektträger Jülich) begrüßte von deutscher Seite die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und umriss in einer kurzen Präsentation (pdf, 2.668 kB) des Förderschwerpunkts REFINA.

First session: Planning instruments and urban policies of Poland and Germany concerning land consumption and suburbanization

Zu Beginn des Workshops stellten polnische und deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die aktuelle Ausgangssituation der Flächeninanspruchnahme sowie die Planungsansätze des jeweiligen Landes vor. Sie konnten dabei an den unmittelbaren Einblick in die Situation in der durch Wachstum gekennzeichneten Agglomeration Gdańsk – Gdynia – Sopot anknüpfen, der in der Busexkursion am Vormittag vermittelt wurde.

Dr. Karolina Krośnicka (AM Akademia Morska w Gdynia/Gdynia Maritime University) leitete ihren Beitrag unter dem Titel Need for planning tools and methods to monitor and control urban sprawl (pdf, 8.307 kB) mit der Feststellung ein, dass in vielen Regionen Polens seit etwa 10 Jahren massive Suburbanisierungstendenzen mit daraus folgenden Problemen der Flächeninanspruchnahme, Mobilität etc. zu beobachten sind. Zu den wichtigsten Problemen zählen die zunehmende Funktionstrennung, der Mangel an technischer und sozialer Infrastruktur in den peripher entstandenen Neubaugebieten sowie die Überformung und Funktionsänderung ehemals landwirtschaftlich geprägter Dörfer. Mit Verweis auf das INTERREG IIIC-Vorhaben „Multifunctional Intensive Land Use (MILU)“ präsentierte sie verschiedene Strategien für eine Begrenzung der Flächeninanspruchnahme und für eine verstärkte Innenentwicklung, u.a. intensive Nachverdichtung, Flächenrecycling, Nutzungsmischung, Nutzungsintensivierung (Verbesserung der Infrastruktur wie unterirdische Garagen, Aufstockung) und Zwischennutzung. Gleichzeitig verwies sie auf den Mangel an Instrumenten zur Kontrolle der Zersiedelung sowie zum Monitoring der Landnutzung. In ihren Schlussfolgerungen stellte sie Möglichkeiten einer besseren Steuerung vor.

Foto: Publikum

Jakub Pietruszewski (Departament Rozwoju Regionalnego i Przestrzennego Urząd Marszałkowski Województwa Pomorskiego, Gdańsk/Regional planning Pomeranian Voivodship, Gdańsk) erläuterte in seinem Vortrag Urban policy in Poland and spatial planning instruments of formation urbans and suburban structures in spatial policy Pomeranian region (pdf, 982 kB) zunächst die Grundsätze der polnischen Raumplanung. Anschließend ging er auf die besondere Situation in der Wojewodschaft Pomorskie (Verwaltungsbezirk Pommern) um die Tricity Gdańsk – Sopot – Gdynia ein, in der in den Städten und Gemeinden um die drei Kerne insbesondere längs der Küste ein erhebliches Wachstum an Bevölkerung und Siedlungsflächen zu beobachten ist, während der Kernbereich Bevölkerung verliert. Anschließend stellte er die Planungsleitlinien und Vorschläge vor, mit denen versucht wird, darauf zu reagieren. In diesem Kontext wurde beispielsweise die Idee von Schutzkategorien für bestimmte Areale vorgestellt, wobei betont wurde, dass es sich nicht ausschließlich um Kategorien zur Verfolgung von Zielen des Naturschutzes handle.

Foto: Jakub Pietruszewski

Dr. Maria Kiełb-Stańczuk (WKU_A Wojewódzka Komisja Urbanistyczno-Architektoniczna, Województwa Pomorskiego/Regional planning Pomeranian Voivodship) umriss in ihrer Präsentation mit dem Titel Suburbanisation in practice – situation in Poland (pdf, 2.804 kB) zunächst Ursachen und Folgen der Suburbanisierung in Polen, insbesondere in der Tricity Gdańsk – Sopot – Gdynia. Ihre allgemeine Analyse konkretisierte sie im weiteren Verlauf ihres Vortrages anhand der drei Beispiele Starogard Gdański, Tczew und Słupsk. Für deutsche Verhältnisse von besonderem Interesse ist dabei der Umstand, dass in Polen neue Baugebiete bereits vor Fertigstellung der Erschließung (inkl. Straßen, Abwasser, Strom und Gas) bebaut werden dürfen und die Kommunen ihrer Verpflichtung zur Errichtung dieser Anlagen häufig erst nachkommen, wenn alle Baugrundstücke entwickelt wurden. Abschließend stellte sie verschiedene Strategien zur Verminderung der Suburbanisierung und Bewältigung der negativen Folgen vor. Wichtig seien beispielsweise die Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens ins Planwerken, die umfangreiche Beteiligung von Betroffenen in Planungsprozessen sowie eine effektivere Koordination zwischen unterschiedlichen Ebenen der Planung.

Dr. Fabian Dosch (Federal Institute for Research on Building, Urban Affairs and Spatial Development, Bonn/Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Bonn) und Thomas Preuss (German Institute of Urban Affairs, Berlin/Deutsches Institut für Urbanistik (DIfU), Berlin) stellten in ihrer gemeinsamen Präsentation Land Consumption in Germany – trends, targets, tasks, planning instruments (pdf, 4.084 kB) („Land Consumption in Germany – trends, targets, tasks, planning instruments - continuation”) (pdf, 4.486 kB) die Situation der Flächeninanspruchnahme sowie die Ziele, Strategien und Instrumente für ein nachhaltiges Flächenmanagement in Deutschland vor. Anschließend erläuterten sie den rechtlichen Rahmen der Flächennutzung, ihre Steuerung sowie das Konzept der Flächenkreislaufwirtschaft.

Fotos: Thomas Preuss, Fabian Dosch

Second session: REFINA research on monitoring land use

Foto: Thomas Esch

In der zweiten Session wurden REFINA-Forschungsergebnisse zum Monitoring der Landnutzung vorgestellt und diskutiert. Dr. Thomas Esch (German Aerospace Center (DLR), German Remote Sensing Data Center (DFD), Environment and Security (US), Oberpfaffenhofen) präsentierte in diesem Zusammenhang Resultate aus dem REFINA-Vorhaben Land barometer - Development of a remote sensing based land barometer for a sustainable land use management (pdf, 3.925 kB). Er führte zunächst in das Konzept sowie den methodischen Ansatz und die Ziele des REFINA-Vorhabens ein und erläuterte ausgewählte Ergebnisse für die regionale Ebene am Beispiel der Zersiedlung und für die lokale Ebene am Beispiel der Bodenversiegelung. In seinem Ausblick verwies er gleichwohl auf experimentelle Forschungsfragen, zu denen das Flächenbarometer beitragen könnte, und auf die Notwendigkeit der Integration qualitativer Interpretationsfaktoren.

Foto: Janusz JezakJanusz Jezak (IRM Instytut Rozwoju Miast, Kraków/Institute of Urban Development, Krakow) stellte in seinem Kommentar zunächst die Bedeutung vorhandener Daten heraus, erst dies ermögliche die Durchführung entsprechender Auswertungen. In Polen erweise sich das Fehlen einer einheitlichen und vergleichbaren Datengrundlage als größtes Hindernis, es fehlen Referenzdaten. Zu selten würden Erhebungen durchgeführt und die Verfahren zur Datenerhebung seien insgesamt zu unkoordiniert. Auch sei die Zugänglichkeit der Daten bisher schwierig und eingeschränkt. Ein weiteres Hindernis stelle das Fehlen zahlreicher administrativer Daten dar, so gebe es beispielsweise kaum Informationen zu Grenzverläufen. Aus Sicht der Forschung sei die unzureichende Datenlage z.B. zu kommunalen Arbeitslosenzahlen, Sozialhilfeempfänger etc. zu kritisieren.

In der Diskussion wurde die Einschätzung des polnischen Experten in zahlreichen Beiträgen bestätigt. Verwiesen wurde auf die generellen Schwierigkeiten, von den statistischen Ämtern Daten zu erhalten und auf die unzureichenden Datengrundlagen vor allem in kleinen Gemeinden, in denen oftmals selbst einfachste Kataster fehlten. Dennoch müsse festgehalten werden, dass das Problem erkannt und Veränderungen in Sicht seien. Denkbar seien z.B. als ein erster Schritt der Aufbau von Datenbanken zu guten Beispielen oder Ansätze eines Raummonitorings. Abschließend wurde übereinstimmend die Bedeutung von Katastern und anderen raumbezogenen Daten für den Umgang mit Planungsproblemen in beiden Ländern hervorgehoben.


Third session: REFINA research on cooperative development of industrial real estate

Fotos: Alfred Ruther-Mehlis (oben) und Zwischenfrage aus dem Publikum (unten)In der dritten thematischen Session standen Ansätze für eine kooperative Entwicklung von Gewerbeflächen auf interkommunaler Ebene im Mittelpunkt. Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis (Faculty of Urban Planning, Nürtingen-Geislingen University/Fakultät Stadtplanung, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen) stellte in seiner Präsentation The regional pooling of industrial areas - an instrument for strategic management of industrial sites (pdf, 4.262 kB) einen kooperativen Ansatz der Entwicklung von Gewerbeflächen vor, mit dem die in Deutschland weit verbreitete Konkurrenz der Gemeinden um Gewerbebetriebe und Steuereinnahmen gemindert werden kann. In einem Gewerbeflächenpool entwickeln mehrere Gemeinden gemeinsam ein zuvor festzulegendes Portfolio an verfügbaren Flächen.

Dr. Maria Kiełb-Stańczuk (WKU_A Wojewódzka Komisja Urbanistyczno-Architektoniczna, Województwa Pomorskiego/Regional planning Pomeranian Voivodship) stellte in ihrem Kommentar zunächst heraus, dass der Ansatz des regionalen Gewerbeflächenpools interessant sei, jedoch in Polen allenfalls in Zukunft an die Realisierung derartiger Modelle zu denken sei. Gründe hierfür seien u.a. das Bestreben der Gemeinden, in ihrem Gebiet Flächen zu entwickeln. Zudem erlaube das polnische Recht den Gemeinden nicht, Flächenentwicklungen in anderen Gemeinden mitzufinanzieren. Dennoch gebe es Gemeinden, die sich zu Wirtschaftsclustern zusammenschließen. Kooperationen bestünden auch in den verschiedenen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge wie Wasserver- und Abwasserentsorgung und in der Abfallwirtschaft. Generell seien Aspekte der wirtschaftlichen Kooperation von Gemeinden bislang Aufgabe der Wirtschaftsförderung gewesen, an denen die für Raumplanung zuständigen Behörden nicht beteiligt sind. Überwiegend negative Erfahrungen bestünden in Polen mit der Einrichtung von kommunalen Sonderwirtschaftszonen.

In der sich anschließenden Diskussion wurde die Frage erörtert, wie groß ein Gewerbeflächenpool konzipiert sein sollte. Hierzu wurde von deutscher Seite ausgeführt, dass – mit Ausnahme global agierender Unternehmen – die meisten Ansiedlungs-, Verlagerungs- oder Erweiterungswünsche von Firmen aus einer eher kleinräumigen Nachfrage resultierten, da sie qualifizierte Arbeitskräfte aus der Region benötigen. Von polnischer Seite wurde darauf hingewiesen, dass ein Pool in Polen schwer umsetzbar sei, weil nicht alle Gemeinden über geeignete Flächen verfügen. Oftmals seien geeignete Flächen Privateigentum und würden auch von Privaten an den Markt gebracht. Dennoch sahen einige polnische Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer Bedarf nach einer besseren Steuerung von Gewerbegebietsausweisungen. Angeregt wurde die Berufung eines Organs durch die Metropolregionen, das einen gemeinsamen Raumordnungsplan beauftragen könnte. Auch wurde der Bedarf nach Flächenkatastern sowie nach einer Besteuerung des Flächenverbrauchs geäußert. Von deutscher Seite wurde angeregt zu prüfen, inwieweit Flächenentwicklungen stärker in öffentlich-privater Partnerschaft realisiert werden könnten. Diese könnten Möglichkeiten eröffnen, Ansiedlungen zumindest teilweise zu steuern sowie Belange der Allgemeinheit z.B. zur Schaffung von technischen und sozialen Infrastrukturen stärker zu berücksichtigen.


Samstag, 7. November 2009

Fourth session: REFINA research on cooperation in regional and urban planning

Fotos: Die vierte thematische Session stand im Zeichen der kommunalen Kooperation in der Stadt- und Regionalplanung. Daniel Bleher (Institute for Applied Ecology, Darmstadt/Öko-Institut, Darmstadt) stellte in seiner Präsentation das Projekt komreg - land management for local authorities in the region (pdf, 1.998 kB) vor. Das Vorhaben konnte erhebliche Flächenreserven in Baulücken, auf mindergenutzten Grundstücken, Brachen u.a. nachweisen, so dass teilräumlich erhebliche Anteile am voraussichtlichen Flächenbedarf gedeckt und die Siedlungsflächenentwicklung in der Region deutlich vermindert werden könnte. Derzeit wird ein Folgeprojekt in der Region umgesetzt.

Maciej Zathey (Wojewódzkie Biuro Urbanistyczne we Wrocławiu/Regional planning Lower Silesian Voivodship, Wroclaw) bezog sich in seinem Kommentar auch auf die Erfahrungen und kollegialen Diskussionen des ersten Workshoptages. Er wies darauf hin, dass Suburbanisierung ein historischer Prozess sei, der sich bis in die ersten Stadtgründungen der Vorzeit zurückverfolgen lasse und als Motor menschlicher Entwicklung verstanden werden könne. Heute bestehe jedoch in Polen ein Ungleichgewicht zwischen innerer und äußerer Siedlungsentwicklung, das erhebliche negative Folgen habe. So stiegen bspw. die Kosten für die Siedlungsentwicklung aufgrund der entstehenden dispersen Siedlungsstrukturen einerseits, andererseits gerate die Finanzierung der zentralörtlichen Funktionen (Kultur, Bildung) durch sinkende Einnahmen der Kernstädte in Gefahr. Herr Zathey identifizierte den Ursprung dieser unglücklichen Entwicklung im Umbruch in Polen seit 1995 bis 1998, der mit einer erheblichen Liberalisierung der Verhältnisse verbunden war. Schlechte Erfahrungen mit der sozialistischen Planwirtschaft hätten überdies jegliche Form von Planung in den Augen von Bürgern und Politikern diskreditiert.

Beispielhaft verwies er auf die Stadt Breslau, die heute von einem Ring von monofunktional strukturierten Siedlungen umgeben sei. In diesen Wohnsiedlungen, die aus Einfamilienhäusern auf kleinen Grundstücken bestehen, fehle häufig jegliche Infrastruktur zur Ver- und Entsorgung. Beispielhaft stellte er eine Siedlung mit rund 6.500 Gebäuden (EFH) vor, die nur 300 m von einem Dorf entfernt errichtet wurde, aber über keine Wegeverbindung zu diesem Dorf verfüge. Da auch kein Haltepunkt an der benachbarten Eisenbahnstrecke eingerichtet wurde, seien die Bewohner gezwungen, alle Wege mit dem eigenen PKW zurückzulegen. Seines Erachtens bedarf es neuer und verbindlicher Planungsinstrumente für die Regionalplanung, um derartige Verhältnisse zukünftig zu verhindern bzw. die heute festzustellenden Missstände zu beheben.

Dr. Dirk Engelke (pakora.net Network for towns and regions/Netzwerk für Stadt und Raum, Karlsruhe) stellte in seinem Beitrag Land use management by innovative regional planning (pdf, 2.924 kB) Projektansatz und Lösungsvorschläge des REFINA-Projekts FLAIR vor. Ausgegangen wurde davon, dass sich der Flächenverbrauch einer Region für Siedlungszwecke vermindern lasse, indem zunächst die wesentlichen Zukunftsaufgaben identifiziert, analysiert und mit Strategien zu einer effektiven Flächennutzung verbunden werden ('problems first'). Diese Zukunftsaufgaben waren insbesondere Fragen im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung, wie bspw. die Schließung von Schulen und Nahversorgungseinrichtungen, Änderungen der Wohnungsnachfrage durch den wachsenden Anteil älterer Menschen etc. Darauf aufbauend wurden Strategien und Lösungskonzepte entwickelt, die eine hohe Akzeptanz erreichten, da die beteiligten Kommunen sie als vorteilhaft einschätzten.

Adam Derc (Poznan Wielkopolskie Biuro Planowania Przestrzennego/Regional planning Wielkopolskie Voivodship, Poznan) bezog sich in seinem Kommentar auch auf die vorangegangenen Beiträge und Diskussionen. Die Verhältnisse in Polen sollten nicht nur kritisiert werden, denn die polnische Planung habe heute einen Stand, an dem sie die Potenziale und Vorteile für bestimmte Lösungen und deren Umsetzungschancen aufzeigen könne. Noch würden jedoch die unterschiedlichen regionalen Akteure nicht zusammenarbeiten, sondern gegeneinander agieren. Auch fehlten Methoden für einen gerechten Interessensausgleich ebenso wie der Wille zur Zusammenarbeit. Schließlich werde auch aufgrund der schlechten Erfahrungen mit der sozialistischen Planwirtschaft allen Analysen und Plänen weder getraut noch gefolgt. Allerdings rechne er in absehbarer Zeit mit einer grundlegenden Änderung der Politik, die einsehe, dass die Pläne nicht der Verhinderung sondern der Steuerung und damit Verbesserung von Vorhaben dienen.

In der anschließenden Diskussion wurden zwei planungsrechtliche Unterschiede geklärt:

In der weiteren Diskussion wurden die Erfolgsvoraussetzungen der vorgestellten Projekte erörtert. Dabei wurde u.a. darauf hingewiesen, dass sich die Zusammenarbeit der regionalen Akteure in den verschiedenen REFINA-Projekten häufig bereits mit ökonomischen Zwängen begründen lasse: Kaum eine Kommune in Deutschland könne in den schwierigen wirtschaftlichen Zeiten noch allein handeln. Gerade bei der Errichtung und dem Betrieb der technischen Infrastruktur wie vor allem bei der Abwasser- und Abfallentsorgung sei dies üblich. Bei bestimmten öffentlichkeitswirksamen Projekten versuchen Bürgermeister und Landräte eher alleine und auf Kosten der Mitbewerber zu handeln.


Fifth session: REFINA research on the new practices of inner-city development

Foto: Sabine Müller-HerbersInnovative Vorgehensweisen zur Stärkung der baulichen Innenentwicklung in den Gemeinden standen im Zentrum der fünften thematischen Session. Dr. Sabine Müller-Herbers (Baader Konzept GmbH, Gunzenhausen/Planning and Consultancy Group, Gunzenhausen) ging in ihrer Präsentation HAI – New aids for action on active inner-city development (pdf, 4.887 kB) insbesondere auf Strategien und Konzepte zur Ermittlung innerörtlicher Bauflächenpotenziale und ihre Aktivierung ein. Dabei wurden die Hemmnisse bei der Aktivierung von innerörtlichen Bauflächenpotenzialen untersucht und effektive Strategien zur aktiven Mobilisierung dieser Potenziale entwickelt. Das Vorhaben HAI konnte zeigen, dass die aktive Ansprache von Eigentümern un- oder untergenutzter Grundstücke effektiv zur Reduzierung der Bauflächennachfrage auf der grünen Wiese beitragen kann und dabei mit großen Vorteilen für die Kommunen, die Eigentümer und die künftigen Grundstücksnutzer verbunden ist.Fotos: Barbara Liszkiewicz-Czyżewska, Beata Marczak-Waclawek

Die polnischen Expertinnen Barbara Liszkiewicz-Czyżewska (Miejska Pracownia Urbanistyczna w Bydgoszczy/Urban planning Municipality of Bydgoszcz) und Beata Marczak-Waclawek (Biuro Architektury i Planowania Przestzennego Urzędu m.st. Warszawy Wydzial Planowania Miejscowego/Architecture and Urban Planning Office Warsaw) griffen das Beispiel des Vorhabens HAI positiv auf. Ihres Erachtens könne ein derartiges Konzept auch in Polen erfolgreich umgesetzt werden. Sie schränkten aber ein, dass vor Ort, insbesondere in den kleineren Orten, derzeit kaum das Problembewusstsein für die negativen Folgen der Suburbanisierung und die positiven Effekte einer aktiven Innenentwicklung vorhanden sei. Hier dominierten absehbar die weitere Bebauung der freien Landschaft und der Verfall der Ortskerne.

Frau Liszkiewicz-Czyżewska illustrierte dies am Beispiel von Bromberg: Die Stadt mit derzeit noch 370.000 Einwohner verliere massiv Einwohner an das Umland; Ursache seien große Siedlungsvorhaben im Norden der Stadt mit 40.000 Wohneinheiten und im Westen der Stadt mit 60.000 Einwohner. Nun werde in der Stadt überlegt, die örtlichen Schulen für die auswärtigen Schüler zu schließen, da die Stadt die Kosten für die Schulen allein nicht tragen kann. Eine Ursache für den massiven Suburbanisierungsprozess sieht auch sie in den (emotionalen) Folgen des sozialistischen Systems: Nach seinem Ende hat das Eigentum einen großen Wert bekommen und Eingriffe in seine Nutzung werden grundsätzlich abgelehnt. Die Bürger leiteten aus diesem 'Eigentumsgefühl' das Recht ab, alles mit ihrem Eigentum machen zu dürfen und akzeptieren keinerlei Einmischung. So gebe es zwar verschiedene Raumordnungspläne, sie werden allerdings nicht beachtet, soweit sie mit Einschränkungen für den Einzelnen verbunden sind.

Frau Marczak-Waclawek ergänzte diese Einschätzung mit ihren Erfahrungen aus größeren polnischen Städten und insbesondere der Hauptstadt Warschau. Hier gäbe es aufgrund der immer deutlicher wahrnehmbaren negativen Folgen der Suburbanisierung ein wachsendes Interesse an Konzepten zur Innenentwicklung und Aufwertung der vorhandenen Stadtgebiete. Dabei seien es gerade die Bürger selbst, die in wachsendem Maße an Politik und Verwaltung herantreten. Auch sei in zunehmendem Maße zu beobachten, dass Bürger wieder in die Stadtkerne zurückziehen, um Staus und die Pendelkosten zu vermeiden. In den Städten fehlten allerdings die systematischen Kenntnisse von Baupotenzialen gerade für Mischnutzungen von Wohnen und Dienstleitung.

Dr. Jutta Deffner (Institute for Social-Ecological Research (ISOE), Frankfurt am Main/Institut für sozial-ökologische Forschung, Frankfurt am Main) erläuterte unter dem Titel Demand-driven Life-cycle Management of Urban Neighbourhoods (pdf, 418 kB) das Konzept des Nutzungszyklusmanagements für Wohnsiedlungen aus dem gleichnamigen REFINA-Vorhaben. Das Vorhaben beschäftigte sich mit Wohnbeständen der 1950er bis 1970er Jahren. Aufgrund ihres Alters stehen diese Bestände derzeit an einem Scheidepunkt und bedürfen des aktiven Managements, um sie für Bevölkerungsgruppen attraktiv zu halten, die ansonsten eine Wohnung bzw. ein eigenes Haus im Umland nachfragen würden. Deshalb wurde eine detaillierte Analyse der gewünschten Zielgruppen für die beteiligten Wohnsiedlungen durchgeführt und spezifische Erneuerungskonzepte für die Siedlungen sowie Kommunikationskonzepte entwickelt und erprobt.

Foto: Jutta Deffner

Fotos: Piotr Sobczak, Aleksandra Sas-BojarskaPiotr Sobczak (Miejska Pracowania Urbanistyczna w Poznaniu/Urban planning Municipality of Poznan) und Dr. hab. Aleksandra Sas-Bojarska (TU Gdańsk Wydział Architektury Politechniki Gdańskiej, Katedra Urbanistyki i Planowania Przestrzennego/Gdańsk University of Technology, Faculty of Architecture, Department of Urban Design and Regional Planning) stellten in ihren Kommentaren heraus, dass sich der Suburbanisierungsprozess in Polen erst am Beginn befinde und der Wohnungsmarkt noch sehr durch die Deckung grundlegender Bedürfnisse geprägt sei. Die durchschnittliche Wohnflächenversorgung sei sehr gering, die Wohnungen schlecht ausgestattet und in schlechtem Zustand, die Wohnungsnot noch groß. Nahezu alle Arten von Wohnungen ließen sich problemlos verkaufen, wobei das Preisniveau insgesamt sehr hoch sei. Da es keine Tradition für Mietwohnungen gebe und diese Wohnform zudem kein großes Ansehen genieße, werden vorrangig Eigentumswohnungen nachgefragt. Auch die großen Wohnungsbestände in den Siedlungen aus der sozialistischen Zeit seien mittlerweile privatisiert.

Gegenüber der Aufwertung und Sanierung der Altbaubestände stelle sich der Neubau deutlich günstiger dar, wobei die Umlandgemeinden die günstigsten Konditionen bieten können (unabhängig von den Folgekosten). Zwar bieten die Kernstädte die besten Infrastrukturangebote, doch werde von vielen das Leben im eigenen Heim mit Garten in den Suburbanisierungszonen trotz der Notwendigkeit zum Pendeln und fehlender Versorgungseinrichtungen immer noch als angenehmer empfunden. Die mit dem Pendeln verbundenen Umweltfolgen betreffen vor allem die Städte, da dort die Staus mit den damit verbundenen Lärm- und Luftbelastungen auftreten. Sinnvoll wäre es aus Sicht von Herrn Sobczak, ein Lebenszyklusmodell für ganze Innenstädte zu entwickeln und umzusetzen. Frau Sas-Bojarska unterstützte diese Forderung. Die Modernisierung der Bestände müsse dabei im Einklang mit den modernen Themen der Stadtplanung stehen, die sich aus der sozialen, ökonomischen und ökologischen Entwicklung ergäben.

Conclusions and Closing Remarks

Am Ende des Workshops zogen ausgewählte polnische und deutsche Referentinnen und Referenten des Workshops in einem Runden Tisch-Gespräch Schlussfolgerungen aus den präsentierten Inhalten und den teils lebhaften Diskussionen beider Veranstaltungstage. Hierbei wurden nochmals die Kernthemen bzw. Probleme zusammengefasst, die auf polnischer Seite von besonderem Interesse sind, um Lösungsansätze für eine Eindämmung der Flächeninanspruchnahme und für ein nachhaltiges Flächenmanagement zu entwickeln. Herausgearbeitet wurden auch Gemeinsamkeiten in Entwicklungstrends und Problemlagen zwischen beiden Ländern, wie z.B. die Ansätze eines planerischen Umgangs mit Suburbanisierungs- und Zersiedlungsprozessen und das in beiden Ländern feststellbare „Ausbluten“ der Kernstädte.

Foto: Abschlussrunde

Der in vielen Teilen Polens zu beobachtende urban sprawl bzw. die Suburbanisierung führen zu einer Reihe offensichtlich schwer lösbarer Probleme im Zusammenhang mit der Bereitstellung technischer und sozialer Infrastruktur sowie der Erreichbarkeit und der Segregation der Bevölkerung. In Gemeinden am Rande der Agglomerationen wird landwirtschaftliche Nutzfläche im großen Umfang in Wohn- und Gewerbegebiet umgewandelt, was teilweise zur vollständigen Überformung der Dörfer geführt hat. Der Standard der Erschließung sowie die Bereitstellung sozialer Infrastrukturen kann dabei in Polen jedoch häufig nicht mit der baulichen Entwicklung Schritt halten und führt zu Neubaugebieten ohne jede Infrastruktur.

In beiden Ländern stellt die Optimierung kommunaler Steuereinnahmen einen starken Anreiz für Gemeinden dar, Bauland zum Teil weit über den tatsächlichen Bedarf hinaus auszuweisen. Die sich verstärkenden Diskrepanzen zwischen Kernstadt und Umland führen mittel- und langfristig zu einer Umverteilung von Steuereinnahmen zugunsten von Umlandgemeinden mit Einwohnerzuwächsen. Gleichzeitig müssen die Kernstädte wichtige soziale, kulturelle und sonstige Infrastrukturen unterhalten, die auch von Einwohnern der Umlandgemeinden in Anspruch genommen werden.

Foto: Abschlussrunde

In verschiedenen Teilen Polens besteht ein erheblicher Nachholbedarf beim Monitoring der Flächennutzung bzw. -umwandlung sowie bei der Erfassung von Innenentwicklungspotenzialen.

Vor dem Hintergrund – zeitlich versetzter – Suburbanisierungsprozesse wurden wesentliche Unterschiede zwischen Polen und Deutschland in den jeweiligen Verfahrensweisen zur Herstellung von Baurecht identifiziert.

Der Grad der Verbindlichkeit der in Polen angewandten Planungsinstrumente auf regionaler und kommunaler Ebene reicht nicht aus, um Flächennutzungen nachhaltig zu steuern. Defizite bestehen beim Zusammenwirken der am Planungs- bzw. Baugeschehen beteiligten Akteure. Das betrifft sowohl die Kooperation öffentlicher und privater Akteure als auch das Zusammenwirken der einzelnen Fachdisziplinen der Verwaltungen und der verschiedenen Planungsebenen. Flächenentwicklungen in polnischen Gemeinden erfolgen – im Unterschied zu Deutschland - überwiegend auf Initiative privater Flächeneigentümer bzw. Bauherren. Die öffentliche Hand müsste stärker als bisher z.B. bereits auf der Ebene der Wojewodschaften in Richtung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung steuern.

Gleichzeitig gilt es, das tiefe Misstrauen zwischen den regionalen Akteuren abzubauen und zu neuen und vertrauensvollen Formen der Zusammenarbeit zu kommen. Dabei ließe sich das Vorgehen zur gemeinsamen Planung und Umsetzung anhand kleinerer und unstrittiger Vorhaben zwischen den Akteuren einüben und die Vorteile, die ein derartiges Vorgehen hat, erproben, bevor strittigere und konfliktträchtigere Themen wie der Ausgleich regionaler Interessenslagen behandelt werden.

Auf großes Interesse bei den polnischen Gesprächspartnern trafen Ansätze zur Revitalisierung von Innenstädten mit großen Altbaubeständen, die einen hohen Modernisierungs- und Investitionsbedarf aufweisen, Erfahrungen mit Modellen der interkommunalen Kooperation sowie Instrumente und Verfahren zur Verbesserung der Steuerungswirkung der Planung der öffentlichen Hand sowie Werkzeuge und Methoden zur Betrachtung mittel- und langfristiger Infrastrukturfolgekosten.

Von beiden Seiten wurde die Bereitschaft geäußert, die Diskussionen und den als fruchtbar erlebten Erfahrungsaustausch in bilateralen Austauschen fortzusetzen.

Fotos: Blumenübergabe und Kaffeepause

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