Konferenzbericht: Effizientes Flächenmanagement in Forschung und Praxis - Strategische Neuorientierung der Siedlungsentwicklung
Am 16. Juli 2010, Schloss Mannheim
Gemeinsame Veranstaltung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg
Jahrzehntelang haben Kommunen, Bürgerinnen und Bürger, Planung und Politik auf die Ausweitung unserer Siedlungsflächen gesetzt. Auch heute ist der stetige Flächen„verbrauch“ noch hoch. Auf Einladung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg wurden am 16. Juli 2010 aktuelle Forschungsergebnisse zu Ansätzen und Instrumenten eines nachhaltigen Umgangs mit der Ressource Fläche vorgestellt und über ihre erfolgreiche Umsetzung in der kommunalen Praxis diskutiert. Angesprochen waren Mandatsträger in Kommunen und Regionen, Ingenieure und Planer, Vertreter der Umwelt- und Wirtschaftsverbände sowie der Fachbehörden.
Bei der ganztägigen Veranstaltung, an der über 200 Interessierte aus Kommunen Regionalverbänden und weiteren Institutionen teilnahmen, präsentierten kompetente Referentinnen und Referenten Beispiele und Erfahrungen aus der BMBF-Fördermaßnahme „Forschung zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement (REFINA)“ und aus den Projekten „Flächen gewinnen“ des Landes Baden-Württemberg. Diese Aktivitäten sollen Städten und Gemeinden neue Wege zeigen, wie sie angesichts der Herausforderungen des demografischen Wandels, der immer enger werdenden kommunalen Haushalte sowie des Klimaschutzes eine strategische Neuorientierung der Siedlungsentwicklung erfolgreich umsetzen können. Innenentwicklung und Stärkung der Zentren, Brachflächenrecycling und Flächenkataster, Folgekostenbilanzen und Beteiligung der Grundstückseigentümer gewinnen nicht nur vor diesem Hintergrund an Bedeutung für die kommunale Praxis.

Begrüßung
Christian Specht
Erster Bürgermeister der Stadt Mannheim
Christian Specht, Erster Bürgermeister und Vorsitzender des Planungsausschusses des Verbands Region Rhein-Neckar, eröffnete die Veranstaltung mit einem Plädoyer für die Innenentwicklung. Im Rahmen des Programms „Raum+“ konnten 1.400 ha Flächenpotenzial für die Innenentwicklung in der Region Rhein Neckar identifiziert werden. Das Heben dieser Potenziale bezeichnete er als ein Gebot nicht nur des Ressourcenschutzes, sondern es müsse auch ein fiskalisches Anliegen der Kommunen sein. Die Folgekosten von expansiver Flächenentwicklung seien vielen Kämmerern noch nicht bewusst.
Herr Specht plädierte weiterhin dafür, analog zu den Entwicklungen in der Wirtschaftsförderung statt auf eine „Neuansiedlungsförderung“ den Tätigkeitsschwerpunkt auf Bestandsentwicklungskonzepte für die Einwohnerentwicklung zu setzen, die qualitatives Wachstum entlang von Lebensqualität, Integration und Bildung thematisieren. Anpassungsbedarf sah er diesbezüglich außerdem beim kommunalen Finanzausgleich. Dieser sei noch immer auf demographisches statt qualitatives Wachstum ausgerichtet.
Forschung für ein nachhaltiges Flächenmanagement
Prof. Dr. Annette Schavan
Bundesministerin für Bildung und Forschung

Bundesministerin Prof. Dr. Annette Schavan stellte vor dem Hintergrund der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung die Bedeutung des Flächenreduktionszieles und die Implementation von Forschungsergebnissen in den Mittelpunkt ihres Beitrags. Die Umsetzung entsprechender Ergebnisse erfolge in Baden-Württemberg bereits erfolgreich. Die entscheidende Frage im Forschungskontext sei, „was wir mit unserem Wissen tun, damit es sich auch im konkreten Leben niederschlägt“. Der Gedanke der Nachhaltigkeit müsse sich auch im Bereich der Siedlungsentwicklung verwirklichen, um – im Sinne von Hans Jonas – die Permanenz menschlichen Lebens sicherzustellen und eine neue Balance zwischen Verbrauch und Wiedernutzung von Ressourcen zu finden.
Die REFINA-Forschungsvorhaben verfolgten das Ziel, einen breiten Fundus von Impulsen und konzeptionellen Ansätzen für die intelligente Flächennutzung für die Kommunen und Landesentwicklungsplanung bereitzustellen. Darüber hinaus nahm Kommunikation einen breiten Raum ein. Die intelligente Flächennutzung sei angesichts einer jährlichen Flächeninanspruchnahme, die der doppelten Größe Mannheims entspreche, rückläufiger Bevölkerungszahlen und weiterhin fehlenden Baulands in den Wachstumskernen Deutschlands aus den unterschiedlichsten Gründen erforderlich. Nicht zuletzt aber werde die intelligente Flächennutzung in ihrer Bedeutung gegenüber anderen Nachhaltigkeitsaspekten wie dem Klimaschutz bislang zu wenig wertgeschätzt.
Die Bundesministerin dankte den Teilnehmern von mehr als 100 Forschungsprojekten, die mit einem Fördervolumen von etwa 22 Mio. €, eine mit den Aspekten Transdisziplinarität und Übertragbarkeit sowohl im nationalen Kontext als auch über Deutschland hinaus einmalige Forschungsmaßnahme gestaltet hätten. Damit könnten entsprechende Impulse sowohl auf die nationale als auch auf die europäische Strategie zur Reduktion der Flächeninanspruchnahme Einfluss üben und damit Zukunft gestalten.
Flächen gewinnen in Baden-Württemberg
Tanja Gönner
Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg

Wie die baden-württembergische Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, Tanja Gönner, betonte, bestehe trotz eines in den letzten 2 Jahren landesweit deutlich zurück gehenden Flächenverbrauchs auch im ländlichen Räumen das Erfordernis flächensparender Siedlungsentwicklung. Wer Identität bewahren wolle, der müsse auch das Thema Flächensparen aufrufen und die Grenzen der Belastbarkeit für Böden, Natur und Kulturlandschaft ansprechen. Das Land Baden-Württemberg verfolge daher eine Flächenpolitik, die sich im Wesentlichen auf drei Punkte gründe: Der beharrlichen Bewusstseinsbildung und Überzeugungsarbeit, verbesserter rechtlicher Rahmenbedingungen und wirtschaftlicher Anreize durch Steuervorteile und Fördermittel.
Die Aktivitäten zur Bewusstseinsbildung wurden im Aktionsbündnis „Flächen gewinnen“ gebündelt, um kommunale Entscheidungsträger als die Inhaber der kommunalen Planungshoheit über die Möglichkeiten des Flächenmanagements sowie die Folgen von Flächenneuausweisungen umfassend zu informieren. Die Potenziale der Innenentwicklung aufzuzeigen, sei eine wesentliche Voraussetzung, um die Chancen für lebendige Ortskerne in der Kommune tatsächlich zu realisieren. Dabei müsse immer auch die Qualität im Mittelpunkt stehen. Einen weiteren Schwerpunkt der Informationsarbeit bilde der im Auftrag des Landes entwickelte Folgekostenrechner. Mit dessen Hilfe können Kommunen im Vorhinein kalkulieren, welche Kosten bei der Neuerschließung von Flächen auf sie zukommen. Der für die Kommunen im Land kostenlos zur Verfügung gestellte Folgekostenrechner sei bereits von rund 50 Prozent der Kommunen in Baden-Württemberg bestellt worden.
Die Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen umfasst neben den Hinweisen des Wirtschaftsministeriums zur Bedarfsprüfung im Genehmigungsverfahren auch Zielvereinbarungen der Regierungspräsidien mit den Landkreisen zum Umfang der Flächeninanspruchnahme.
Zu den wirtschaftlichen Anreizen zählte sie insbesondere die weiterhin verfolgte Initiative des Landes, über den Bundesrat eine Reform der Grundsteuer zu erreichen. Diese ziele darauf ab, den Kommunen die Möglichkeiten zu geben, unbebaute Grundstücke anders als bebaute zu besteuern und damit innerörtliche Flächenpotenziale zu aktivieren.
Stadtentwicklung ohne Flächenexpansion?
Folkert Kiepe
Beigeordneter des Deutschen Städtetages

Auch Folkert Kiepe, Beigeordneter des Deutschen Städtetages (DST) forderte Änderungen im Ordnungsrahmen zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme. Er begrüßte die Idee, die Grundsteuerreform zu nutzen, um erschlossene, aber unbebaute Flächen höher zu besteuern und auch bei der Grunderwerbsteuer eine Spreizung zu prüfen. Handlungsbedarf sah er darüber hinaus bei der Pendlerpauschale, die als „Zersiedlungsprämie“ reduziert oder abschafft gehöre.
Auch der Spitzenverband der Deutschen Städte werbe für das Ziel des Flächensparens und kommuniziere die hierfür im Rahmen von REFINA entwickelten Instrumente. Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung sei es erforderlich, sich mit der Vorgabe „Innen- vor Außenentwicklung“ verstärkt auseinanderzusetzen. Dieses auch in der Leipzig-Charta verankerte Ziel habe inzwischen europaweite Bedeutung erlangt und sei förderrelevant geworden. Zugleich könnten Kommunen nicht mehr, wie noch in Zeiten des Wachstums, Konflikte um Flächennutzung durch zusätzliche Ausweisung von Flächen umgehen. In Zeiten des Bevölkerungsrückgangs und der kommunalen Finanzkrise stelle sich vielmehr in immer mehr Kommunen die Frage, wie mit weniger Menschen steigende Infrastrukturkosten bewältigt werden können.
Zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme kann nach seiner Auffassung neben der konsequenten Berücksichtigung der Bodenschutzklausel ein strategisches, effizientes Flächenmanagement beitragen, das mit allen Dezernaten einschließlich des Kämmerers abgestimmt wird. Die erforderlichen Mittel zur Wiedernutzung von Flächen könnten durch ÖPP bereitgestellt werden, wie sie bspw. in Nordrhein-Westfalen durch das Land und die Bahn in Form eines revolvierenden Grundstücksfonds existieren. Doch auch auf Verwaltungsebene sah er Handlungsbedarf und die Notwendigkeit einer stärkeren interkommunalen Kooperation. Nur durch die Einrichtung von „Mehrzweckverbänden“ und mit Unterstützung durch Bund und Länder seien die anstehenden Herausforderungen zu schultern.
Stadtentwicklung ohne Flächenexpansion? (pdf, 274 kB)
Folkert Kiepe
Flächenmanagement in der Region
Raum + AKTIV: Erfassung und bauliche Wiedernutzung von Innenentwicklungspotenzialen
Dr. Gerd Hager
Verbandsdirektor des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein

Dr. Gerd Hager schilderte seine Erfahrungen aus dem Gebiet des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein. Demnach seien die „Flächenfresser“ derzeit vor allem das Gewerbe und der Einzelhandel. Die Kommunen sieht er als zentrale Akteure für die Mobilisierung von innerörtlichen Flächenpotenzialen. Die entscheidende Steuerungsgröße hierfür seien die Befindlichkeiten, Nutzungsvorstellungen und Erlöserwartungen der Flächeneigentümer – und diese kenne der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde oft persönlich. Nach seiner Auffassung habe bei allen Entwicklungspotenzialen Nachverdichtung in den Kommunen auch Grenzen, vor allem unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten. In dem vom Land und den beteiligten Regionalverbänden finanzierten Projekt „Raum +“ ist eine Übersicht über die Innenentwicklungspotenziale in sechs südwestdeutschen Regionen und einem schweizerischen Kanton erhoben worden, die mit den Kommunen abgestimmt ist. Die Potenziale sind erheblich (4.350 ha Fläche in 22 Gemeinden, auf das Land hochgerechnet etwa 10 000 ha) und decken den Bedarf für mehrere Jahre. Im aktuellen Folgeprojekt „Raum+ AKTIV“, an dem sich auch hessische und rheinland-pfälzer Kommunen beteiligen, wird die bauliche (Wieder-)Nutzung und ein Standort-Potenzial-Check untersucht. Dies beflügele den Fachdiskurs und gebe viele gute Beispiele.
Raum+ AKTIV: Erfassung und bauliche Wiedernutzung von Innenentwicklungspotenzialen (pdf, 901 kB)
Dr. Gerd Hager
Praktiziertes Flächenmanagement in der Region Freiburg
Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis stellte die aus den Ergebnissen der Projekte KOMREG und PFIF entwickelten drei Bausteine des Flächenmanagements in der Region Freiburg vor. Diese umfasst einen Gewerbeflächendialog, der auf der Basis einer Bestandsaufnahme vorhandener Gewerbeflächenpotenziale und der Ergebnisse einer IHK-Umfrage zum Gewerbeflächenbedarf die Vorratspolitik vieler Kommunen in der Region zu überwinden versucht. Weiterhin wurde eine regionale Baulückenbörse zur Erschließung von innerörtlichen Flächenreserven eingerichtet. Schließlich wollen sich mehrere Kommunen zur gemeinsamen Entwicklung und Vermarktung von Wohnbauflächen in einem Wohnbauflächenpool zusammenschließen. Ziel seien unter anderem sich selbst tragende Kommunikations- und Abstimmungsprozesse in der Region.
Praktiziertes Flächenmanagement in der Region Freiburg (pdf, 1.287 kB)
Prof. Dr. Alfred Ruther-Mehlis
Stefan Schlatterer
Oberbürgermeister der Stadt Emmendingen

Für die Stadt Emmendingen erläuterte Herr Oberbürgermeister Stefan Schlatterer die praktischen Erfahrungen mit dem Flächenmanagement in der Region Freiburg anhand aktueller Planungsvorhaben. Nach seiner Erfahrung ist das Thema Innenentwicklung in der Umsetzung nach wie vor problembehaftet, weil derzeit die Baulückenerschließung noch teurer als die Neuausweisung von Flächen ist, die politischen Probleme genauso groß sind und auch der Umweltschutz im Innenbereich eine ähnlich große Rolle spielt. Nachverdichtung ohne ausreichende Steuerung könne zu Fehlentwicklungen führen. Zugleich gebe es aber auch positive Beispiele der Entwicklung ehemaliger Gewerbeflächen und Handlungsansätze auf der regionalen Ebene.
Stadt Emmendingen (pdf, 4.240 kB)
Stefan Schlatterer
Fläche ist mehr als eine Fläche: Kommunikationsansätze
Zukunft Fläche
Dagmar Kilian
Raum & Energie. Institut für Planung, Kommunikation und Prozeßmanagement GmbH, Wedel/Hamburg

Wie man der Fläche eine „Lobby“ verschafft, war Thema des Vortrags von Dagmar Kilian. Oft werde das Thema zu komplex und abstrakt, zu problemorientiert angegangen. Dem bisherigen „Verzichtsthema“ setzte das REFINA-Projekt daher die Kampagne „Mittendrin ist in“ mit den positiven Kernbotschaften Werterhalt, Innenentwicklung und Kosteneinsparung entgegen. Zielgruppe der Kampagne, an der sich unter anderem Sparkassen, Landesbausparkassen und Landesbanken beteiligten, waren vor allem die Verwaltungsspitzen als wichtigste Multiplikatoren. Aus dem Projekt wurden konkrete Empfehlungen zu Kommunikationsstrategie entwickelt und weitergegeben.
Zukunft Fläche - REFINA-Vorhaben der Metropolregion Hamburg - Kommunikationsstrategie zur Reduzierung des Flächenverbrauchs: Produkte und Ergebnisse (pdf, 2.028 kB)
Dagmar Kilian
Handlungsanleitungen für die Innenentwicklung (HAI): Kommunikation mit den Grundstückseigentümern
Dr. Sabine Müller-Herbers
Baader Konzept GmbH, Mannheim

Im Fokus des REFINA-Projektes standen die Potenziale von ungenutzten Flächen in dörflichen und ländlichen Zusammenhängen in Modellgemeinden mit 7.000 bis 19.000 Einwohnern. Erprobt wurden u.a. neue Wege zur Eigentümeransprache. Nach der Erstellung von Baulandkatastern, die erstmals einen Überblick über die vorhandenen Innenbereichspotenziale boten, wurden die Eigentümer von Baulücken schriftlich über ihre Verwertungsinteressen und Verkaufsabsichten befragt und im Gegenzug Informationen über eine Inwertsetzung der Grundstücke angeboten. Die Anteile der Rückmeldungen fiel in Abhängigkeit vom Marktumfeld sehr unterschiedlich aus, bei einer Aussicht auf weitere Wertsteigerungen war die Resonanz gering, in einem schrumpfenden Umfeld wesentlich höher. Die Eigentümer-Ansprache und als Motivationshilfe die Broschüre „Kleine Lücken – Große Wirkung“ haben insgesamt erfreulichen Zuspruch gefunden.
Handlungsanleitungen für die Innenentwicklung (HAI): Kommunikation mit den Grundstückseigentümern (pdf, 941 kB)
Dr. Sabine Müller-Herbers
Gernot Pohl
Leiter des Amts für Stadtentwicklung, Kirchheim unter Teck

In Kirchheim unter Teck und in Pfullingen, einer der Partnergemeinden des REFINA-Vorhabens, ergab die Eigentümerbefragung, dass es sich bei den Flächeneigentümern oft um Witwen handelte, die mit der Abwicklung des Grundstücks überfordert waren und sehr dankbar auf das kommunale Angebot reagierten. Als ein Problem werde sich der wachsende Leerstand in Bestandsgebäuden erweisen, der perspektivisch vor allem den Siedlungsrand betreffen wird: Etwa 1.000 Einfamilienhäuser werden nach Berechnungen der Stadt Kirchheim unter Teck in den nächsten Jahren auf den Markt kommen – bei einem Neubauvolumen von 80 Einfamilienhäusern pro Jahr. Derzeit bereite die Stadt ein Leerstandskataster vor. Die künftigen Planungsaufgaben (Innenentwicklung bei Erhalt der städtebaulichen Qualität, Aktivierung der Randsiedlungen) gingen weit über das klassische Repertoire der Stadtplanung hinaus und erforderten neben adaptiven Planungsstrategien eine aktive und dauerhafte Ansprache von Grundstückeigentümern im partnerschaftlichen Dialog.
Mobilisierung von Baulücken durch Eigentümeransprache (pdf, 1.668 kB)
Gernot Pohl
Was kostet mein Baugebiet? Folgekosten der Siedlungsentwicklung
Kosten rechnen – Folgekosten erkennen
Dr. Jens-Martin Gutsche
Gertz Gutsche Rümenapp Stadtentwicklung und Mobilität Hamburg

Herr Gutsche stellte anhand der neuen Internetplattform „Was kostet mein Baugebiet“ u.a. im Rahmen von REFINA entwickelte aktuelle Werkzeuge zur Erfassung der Folgekosten kommunaler Siedlungsentwicklung vor. Dabei unterschied er zwischen dem FolgekostenSimulator, der als Einstieg in das Thema dienen kann, dem FolgekostenSchätzer, mit dem bereits reale Planungsbeispiele einer Kommune durchgerechnet werden können und einer komplexen Fiskalische Gesamtbilanz, die zusätzliche Steuereinnahmen auf der einen Seite und zusätzliche Folgekosten auf der anderen berücksichtigt. Ergänzt wird dieses Angebot um einen Wohn- und Mobilitätskostenrechner, der sich an private Haushalte richtet.
Kosten rechnen – Folgekosten erkennen (pdf, 4.796 kB)
Dr. Jens-Martin Gutsche
Der Folgekostenrechner fokos bw
Michael Blum
Geschäftsführer der Steg, Stuttgart

Die vom Land über BW PLUS geförderte Entwicklung des fokos bw, an der auch die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtigen-Geisingen beteiligt war, verfolgt das Ziel, die Entwicklung von Wohnbauflächen im Innen- und im Außenbereich frühzeitig vergleichend zu untersuchen. Mit den durch das Tool bereitgestellten Wirtschaftlichkeitsberechnungen kann zu einer Versachlichung der Diskussion beigetragen werden. Es bietet die Möglichkeit einer vergleichenden Kosten-Nutzen-Analyse für die Arrondierung von Flächen, die Ausweisung von Neubaugebieten auf Grüner Wiese sowie die Aktivierung innerstädtischer Potenziale mit und ohne Neuordnungsbedarf und betrachtet alle wesentlichen Kostengruppen und Finanzierungsformen, aber auch demografische und soziale Daten. Rund 500 vor allem kleine und mittelgroße Kommunen nutzen aktuell den fokos bw.
fokos – Folgekosten frühzeitig abschätzen - Wohnquartiere nachhaltig entwickeln (pdf, 817 kB)
Michael Blum
Alexandra Fischer
Abteilungsleiterin Stadtplanung, Korntal-Münchingen

Bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplans kam die Gemeinde Korntal-Münchingen in Kontakt mit dem fokos bw, um Zielsetzungen für die Stadtentwicklung in den kommenden 15 Jahren festlegen zu können. In diesem Zusammenhang beschäftigte sich die Stadtverwaltung mit Flächenneuausweisungen und deren Folgekosten. Dafür wurde eine Projektgruppe mit der Verwaltungsspitze, Vertreter/innen aus dem Hauptamt, dem Bürger- und Liegenschaftsamt, der Kämmerei und dem Stadtbauamt eingerichtet. Der Folgekostenrechner ermöglicht bereits in einem frühren Stadium der Planung eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und eine Gegenüberstellung von verschiedenen Wohnquartieren und Szenarien. Im Ergebnis zeigte sich auch, dass im Einzelfall die Entwicklung einer Brachfläche wirtschaftlich nicht möglich und unter diesen Voraussetzungen politisch nicht umsetzbar war. Frau Fischer hob vor dem Hintergrund der aktuellen Fördermittelkürzungen hervor, dass ohne den Einsatz von Mitteln der Städtebauförderung kleinere Kommunen solche Projekte nicht mehr umsetzen könnten.
Die anschließende Diskussion konzentrierte sich angesichts des Beratungsergebnisses in Korntal-Münchingen auf die Frage, ob Außenentwicklung generell teurer als Innenentwicklung sei. Dies wurde von den Referenten verneint mit dem Hinweis, dass langfristig die Bebauungsdichte entscheidend für die Kosteneffizienz sei. Eine hohe Dichte sei im Innenbereich leichter zu realisieren, weil sie sich besser einfüge, marktgängig und attraktiv zu realisieren sei.
Erfahrungen in der Anwendung des Folgekostenrechners fokos (pdf, 1.947 kB)
Alexandra Fischer
Gesprächsrunde: Nachhaltiges Flächenmanagement in der Praxis: Erfahrungen und Perspektiven

Moderation: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus J. Beckmann Deutsches Institut für Urbanistik
Grit Puchan
Regierungsvizepräsidentin des Regierungspräsidiums Tübingen
Frau Puchan verweist zunächst auf die gestiegene Bedeutung des Themas Flächensparen nicht nur in ihrem Regierungsbezirk. Im Rahmen der dabei großen Bedeutung des regionalen Kontextes werden in den Kommunen wichtige Partner gesehen, der ländliche Raum könne nur mit den Kommunen als Partner zukunftsfähiger werden. Ein besonderer Schwerpunkt werde seit 2009 auf Zielvereinbarungen gelegt, die mit den Landkreisen vereinbart werden. Dies führte bisher zu etwa 300 Gesprächen mit Kommunen zu FNP-Änderungen, in denen gemeinsame Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung als Basis für die Flächenausweisung getroffen werden; ein aufwendiger aber auch – so Frau Puchans Einschätzung – ein Erfolg versprechender Prozess der Konsensfindung in Richtung Flächensparen.
Die Beiträge der Veranstaltung bestätigen, so ein Fazit von Frau Puchan, die Notwendigkeit, die spezifischen Verhältnisse vor Ort bei der Umsetzung zu berücksichtigen. Dabei zeigten die differenzierten Beispiele, dass es einerseits um Qualität und nicht um Quantität gehe und andererseits die Politik zwingend auf den Weg mitgenommen werden müsse. Der begonnene Weg sollte auf jeden Fall fortgesetzt werden.

Christian Specht
Erster Bürgermeister der Stadt Mannheim
Mit Blick auf das Thema Flächensparen verweist Herr Specht auf den Zusammenhang zwischen Ökonomie, Flächenverbrauch und Steuern sowie auf einen bestehenden Widerspruch zwischen „betriebswirtschaftlicher“ und „volkswirtschaftlicher“ Rationalität, wenn beispielsweise Mannheimer Haushalte aus ökonomischen Gründen (preiswertere Mieten und Grundstücke) an den Stadtrand oder in Umlandgemeinden ziehen und die Kommunen Mehrkosten durch Infrastruktur etc. zu tragen haben. Nachgedacht werden sollte deshalb über neue steuerliche Anreize, neben der Reform der Grundsteuer mit einem zonierten Satzungsrecht auch über Sonderabschreibungen für Innenentwicklungsprojekte. Herr Specht bekräftigt zudem die positive Wirkung der Zielvereinbarungen.
Herr Specht hebt in seinem Fazit die Bedeutung von Kommunikation im Allgemeinen hervor und benennt im Besonderen den gestiegenen Stellenwert veränderter Kompetenzen der Mitarbeiter einerseits sowie der Mitnahme der Bevölkerung andererseits. Wer heute keine Innenentwicklung betreibe, habe einen Standortnachteil. Abschließend verweist Herr Specht mit dem Hinweis auf die ökonomische Dimension der Innenentwicklung auf die Bedeutung, die der Doppik als zukünftiger Form des kommunalen Finanzmanagements im Hinblick auf die Bewertung des kommunalen Immobilienvermögens, dem erforderlichen Management der Innenbereichsflächen und einer kommunalen Portfoliostrategie zukommen werde.
Dr. Bernd Fahle
Architektenkammer Baden-Württemberg
Herr Fahle bezeichnet die aktuelle Konjunktur der Themen Innenentwicklung und nachhaltiges Flächenmanagement als Bekräftigung einer Neuorientierung in der Stadtentwicklung. Mit diesen neuen Aufgaben sei auch sozusagen ein Ruck durch die Planerwelt gegangen, die nun verstärkt für die Moderation dieser Prozesse zwischen Regeln und Vorgaben der Ministerien einerseits und den Wünschen der Kommunen andererseits zuständig sei. Dies betreffe vor allem die Stärkung der Qualitäten des Siedlungsbestandes und der sich daraus ableitenden komplexen Projekte der Innenentwicklung. Die sich daraus auch ergebenden Flächennutzungspläne neuer Art stellten darüber hinaus neue Anforderungen an die planende Profession.
Herr Fahle hebt in seinem Fazit hervor, dass es nicht nur um die Sicherung des baulichen Bestands sondern vor allem auch um die Bestandssicherung der Lebensqualitäten für die Bevölkerung gehen müsse und das Thema somit wesentlich umfassender zu diskutieren sei. Zudem wünscht er sich, dass sich in den Kommunen und bei ihren Akteuren ein noch besseres Verständnis und wachsende Kompetenzen für städtebauliche Projektentwicklung entwickelt und Innenentwicklung nicht reaktiv sondern aktiv angegangen wird.

Ernst Schilling
Bürgermeister der Stadt Herbolzheim
Herr Schilling führt den hohen Stellenwert eines nachhaltigen FIächenmanagements in der Stadt Herbolzheim auf die mit dem Wandel des traditionellen Gewerbes einhergehenden neuen Anforderungen an Stadt- und insbesondere Gewerbeflächenentwicklung zurück. Als wichtig haben sich dabei vor allem der intensive Einbezug von Verwaltungsspitze und Gemeinderat sowie das aktive Zugehen auf die Flächeneigentümer erwiesen. Trotz eines weiterhin prognostizierten Einwohnerzuwachses, der eine Außenentwicklung nicht vollständig ausschließe, werde Innenentwicklung als ein wichtiges kommunalpolitisches Ziel verankert. Die Erhebung von Flächenpotenzialen sowie die von Frau Puchan vorgestellten Zielvereinbarungen seien dabei wichtige Bausteine. Neben Schwierigkeiten, die sich bei der Entwicklung größerer Innenbereichsbrachen zumeist mit Nachbarn und Grundstücksbesitzern ergeben und die intensive Kommunikations- und Kooperationsprozesse benötigten, verweist Herr Schilling auf die mit Blick auf die Aktivierung von Innenbereichsflächen notwendige Grundsteuerreform.
Für Herrn Schilling zeigen die Beiträge der Veranstaltung die Bedeutung von Transparenz und Offenheit, mit der Prozesse der Innenentwicklung verbunden sein sollten. Den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern kleinerer Gemeinden komme dabei eine aktive Moderatorenrolle zu, vor allem wenn es um die Bewältigung von Leerständen in Folge fehlender Nachfolgeregelung geht.
Die Entwicklung von Baulücken mache, so sein Fazit, nicht nur Spaß, vielmehr könnten sich neue Kommunikationsformen zwischen Verwaltung und Bürgerschaft entwickeln, so dass sich die anfängliche Mühe lohne und die Arbeit Früchte bringe. Von Bedeutung sei es, diese Entwicklung einer gelungenen nachhaltigen Flächenentwicklung durch gute Beispiele vor allem aus kleinen Gemeinden zu stützen.
Effizientes Flächenmanagement am Beispiel der Stadt Herbolzheim - ein Erfolgskonzept (pdf, 536 kB)
Ernst Schilling
Ulrike May-Schorb
Bauamtsleiterin der Gemeinde Sulzfeld

Frau May-Schorb hebt hervor, dass in der Gemeinde Sulzfeld bereits seit 17 Jahren kommunales Flächenmanagement umgesetzt werde. Im Rahmen eines Modellvorhabens konnten 3,5 ha im Innenbereich revitalisiert und im gleichen Zuge bei einer Verdopplung der Einwohnerzahl auf Neubaugebiete verzichtet werden. Derzeit arbeite die Kommune an einer Fortsetzung dieser Aktivitäten zur Innenentwicklung.
Frau May-Schorb sieht sich durch die Beiträge der Veranstaltung darin bestätigt, Kommunikation als wichtigste Grundlage der Innenentwicklung zu begreifen. Auch weiterhin sollten die Menschen bei den Prozessen mitgenommen werden, sie sollten informiert und animiert werden. Wichtig war und bleibe der Kontakt zu Interessierten. Befragt nach dem Wunsch für die Zukunft, verweist Frau May-Schorb auf den Ruck, der noch stärker durch die ländlichen Gemeinden gehen müsse.