Konferenzbericht: Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit - Flächenmanagement in Kommune und Region
Am 27. Januar 2011, Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main in Frankfurt am Main
Gemeinsame Veranstaltung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
Die nachhaltige – insbesondere flächensparende – Siedlungsentwicklung ist ein zentrales Ziel der Raumordnung und des Städtebaus. Dies ist auch eine Aufgabe der Regionen, die in Hessen vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen stehen. Im Rhein-Main-Gebiet und im Rhein-Neckar-Raum herrscht Wachstumsdruck, in Nord- und Mittelhessen stagniert die Bevölkerungszahl oder schrumpft gar. Hier sind spezifische Lösungsstrategien erforderlich. Auf Einladung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wurden am 27. Januar 2011 in Frankfurt aktuelle Forschungsergebnisse zu Ansätzen und Instrumenten eines nachhaltigen Umgangs mit der Ressource Fläche vorgestellt und über ihre erfolgreiche Umsetzung in der kommunalen Praxis diskutiert.
Bei der ganztägigen Veranstaltung, an der über 120 Interessierte aus Kommunen, Kreisverwaltungen, Regionalverbänden und weiteren Institutionen teilnahmen, wurden praxisorientierte Beispiele aus den unterschiedlichen Teilregionen Hessens und aus dem BMBF-Förderschwerpunkt REFINA („Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement“) vorgestellt und diskutiert. Das „Café Flächenmanagement“ bot anschließend die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch mit Referenten und anderen Teilnehmern zur Umsetzung der vorgestellten Ansätze.
Begrüßung
Heiko Kasseckert (Direktor des Planungsverbands Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main)

Herr Kasseckert, Direktor des Planungsverbands Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main, hob in seiner Begrüßung die Bedeutung des Themas Innenentwicklung und Flächenmanagement für den von ihm geleiteten Planungsverband hervor und stellte einige bedeutsame Aktivitäten der jüngsten Zeit vor.
Strategien des Landes Hessen zur nachhaltigen Siedlungsflächenentwicklung
Staatssekretär Steffen Saebisch (Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung)

Staatssekretär Steffen Saebisch stellte in seinem Beitrag die Aktivitäten des Landes Hessen auf diesem Gebiet vor. Wachstumsregionen müssten ihre Standortqualitäten bewahren, Stagnations- und Schrumpfungsregionen ihre Bauflächen angesichts zunehmender Leerstände kritisch überprüfen. Innenentwicklungspotenziale und ihre Mobilisierung sowie interkommunale Kooperationen seien dabei wichtige Themen. Ein weiteres Problem seien zunehmende Nutzungskonkurrenzen, etwa zwischen Landwirtschaft und regenerativen Energien. Im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie werde Hessen das nachhaltige Flächenmanagement in Kooperation mit Planungsinstitutionen, Wirtschaft und Gesellschaft weiter vorantreiben.
REFINA – von der Forschung in die Praxis
Maike Hauschild (Projektträger Jülich im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung BMBF)

Frau Hauschild vom Projektträger Jülich erläuterte Zielsetzungen und Inhalte des BMBF -Förderschwerpunkts REFINA. Dabei warb sie besonders für die in den REFINA-Vorhaben erarbeiteten Produkte und stellte die aktuelle Neuerscheinung „Nachhaltiges Flächenmanagement – Ein Handbuch für die Praxis“ vor.
REFINA – von der Forschung in die Praxis (pdf, 793 kB)
Maike Hauschild
Innenentwicklungspotenziale nutzbar machen
Innenentwicklung als Aufgabe eines Regionalverbandes
Beate Huf (Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main)

Frau Huf stellte die Ansätze des Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main zur Innenentwicklung vor. Gemeinsam mit ausgewählten Pilotkommunen werde mit der Plattform Innenentwicklung das Ziel verfolgt, über einen Austausch und externen Input zu Aspekten der Innenentwicklung einen Werkzeugkasten zu entwickeln. Das kleinräumige Monitoring erlaube eine räumlich flexible Auswertung von Daten des Melderegisters bezogen auf Teilräume der beteiligten Kommunen für die Stadtentwicklung. Zudem ermögliche es Schlussfolgerungen u.a. zur demografischen Entwicklung, zu Wanderungen und zur Einwohnerverteilung im Einzugsbereich von Nahversorgung oder ÖPNV.
Innenentwicklung als Aufgabe eines Regionalverbandes (pdf, 1.986 kB)
Beate Huf
Und was kommt nach dem Kataster? Aktivieren von Innenentwicklungsflächen
Dr. Sabine Müller-Herbers (Baader Konzept GmbH, Mannheim)

Frau Dr. Müller-Herbers, Baader Konzept GmbH, präsentierte in ihrem Vortrag Ansätze zur Eigentümeraktivierung und -ansprache und erläuterte diese am Beispiel des REFINA-Projekts HAI, der Interkommunalen Allianz Oberes Werntal (FLIZ) sowie des aktiven Flächenmanagements im Landkreis Bad Kissingen.
Und was kommt nach dem Kataster? Aktivieren von Innenentwicklungsflächen (pdf, 762 kB)
Sabine Müller-Herbers
Über den Kirchturm hinaus blicken – Interkommunale Kooperation
Stadt-Umland-Kooperation – Stellschrauben zur Stärkung der regionalen Zukunftsgestaltung
Dr. Michael Melzer (Raum & Energie, Institut für Planung, Kommunikation und Prozessmanagement GmbH, Wedel/Hamburg)

Herr Dr. Melzer, Raum & Energie Wedel, erläuterte vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem REFINA-Projekt „Modellkonzept Elmshorn/Pinneberg“ das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und wissenschaftlicher Sicht auf das Thema interkommunale Kooperation zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auf der einen Seite und den oft gegenläufigen kommunalen Erfahrungen auf der anderen Seite. Abschließend leitete er übertragbare Erfolgsbedingungen zu Win-win-Situationen und Formen des Interessenausgleichs ab.
Interkommunale Kooperation - Erfahrungen aus dem REFINA-Projekt –Modellkonzept Elmshorn/Pinneberg (pdf, 687 kB)
Michael Melzer
Das Regionsbewusstsein wächst – Beispiele aus Hessen
Paul Weimann (Bürgermeister der Stadt Oestrich-Winkel, Vizepräsident des Hessischen Städte- und Gemeindetages, Verbandsvorsteher des Zweckverbandes Rheingau)
Karl-Heinz Schäfer (Bürgermeister der Stadt Pohlheim, Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebundes)

Herr Bürgermeister Weimann, Stadt Oestrich-Winkel, erläuterte zunächst die Motive, die u.a. seine Stadt dazu bewogen hatten, mit sechs Nachbarkommunen im Rheingau zu kooperieren. Neben den wachsenden Haushaltsdefiziten der einzelnen Kommunen erforderten auch die Gefahr der siedlungsstrukturellen Entwicklung zu einer Bandstadt ohne Identität sowie die kaum noch vorhandene industrielle Entwicklung ein Umdenken und die Formulierung neuer gemeinsamer Perspektiven. Verbunden durch die Themen Weinbau, Tourismus und durch die Notwendigkeit, neue Einnahmequellen zu erschließen, wurde nach einem Prozess der langsamen Annäherung mittlerweile der Zweckverband Rheingau gegründet. Hier verständigten sich die Gemeinden darauf, die Gewerbeflächenentwicklung auf einen Standort mit einer Industriebrache zu konzentrieren, um die landschaftlichen Potenziale erhalten zu können. Hierzu wurde im Unterschied zu vielen anderen interkommunalen Prozessen keine externe Moderation benötigt. Vielmehr ermöglichten großes Engagement und eine übergreifende Problemwahrnehmung die Festlegung gemeinsamer Ziele, klarer Aufgaben und einer übergreifenden Organisation. Auch dank der Unterstützung durch Fördermittel (Stadtumbau in Hessen; LEADER) konnte sich dieser Prozess bisher erfolgreich weiterentwickeln.
Bürgermeister Schäfer, Stadt Pohlheim, verwies in seinen Ausführungen auf die Erfahrungen in der Stadt-Umland-Kooperation in Mittelhessen, u.a. im Rahmen eines REFINA Vorhabens. Im Unterschied konnte die im Vergleich zu seinem Vorredner schwierigere Ausgangslage unterschiedlicher Interessen der beteiligten Kommunen nicht vollständig gelöst werden. Das Prinzip der Augenhöhe, eine Grundvoraussetzung für interkommunale Prozesse, sei bis heute noch nicht durchgängig erreicht, so dass die Kooperation bisher „schlichtere“ Ergebnisse erreicht habe. Auch wenn die Vertrauensverhältnisse noch zu schwach seien, um tragfähigere Projekte zu erreichen, so betonte Herr Schäfer die perspektivische Bedeutung, die in einem langsamen Annäherungsprozess liegen könne.
Siedlungsflächenmanagement regional denken
Praxisbeispiele regionalen Flächenmanagements in der Region Freiburg
Daniel Bleher (Öko-Institut e.V., Darmstadt)

Herr Bleher vom Öko-Institut Darmstadt stellte am Beispiel des Projekts „Praktiziertes Flächenmanagement in der Region Freiburg“ - einem Nachfolgeprojekt des REFINA-Vorhabens komreg – den in der Region Freiburg erprobten Ansatz des Regionalen Dialogforums sowie die dort realisierte regionale Baulückenbörse vor.
Siedlungsflächenmanagement regional denken - Praxisbeispiele regionalen Flächenmanagements in der Region Freiburg (pdf, 562 kB)
Daniel Bleher
Nachhaltiges Siedlungsflächenmanagement im Zweckverband Raum Kassel
Henrik Krieger (Zweckverband Raum Kassel)

Herr Krieger vom Zweckverband Raum Kassel erläuterte das Nachhaltige Siedlungsflächenmanagement im Raum Kassel anhand der im Verband verfolgten Grundsätze, Ziele und Handlungsansätze in den Bereichen Wohnen, Gewerbe und Dienstleitungen. Diese konkretisierte er an Hand von Beispielen zur Innenentwicklung und zur interkommunalen Kooperation.
Nachhaltiges Siedlungsflächenmanagement im Raum Kassel (pdf, 549 kB)
Andreas Güttler, Henrik Krieger
Café Flächenmanagement
Moderierter Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern und mit den Referenten in Form eines WorldCafés
Moderation: Mechthild Hartung (FAZ) und Manfred Lieber (BKR Aachen) (Fotos)

Zum Abschluss der Veranstaltung waren die Teilnehmer und Teilnehmerinnen eingeladen, miteinander über die in den Fachbeiträgen zuvor vorgestellten Ansätze für ein nachhaltiges Flächenmanagement zu diskutieren. An sechs runden Tischen konnten in wechselnder Zusammensetzung folgende Leitfragen diskutiert werden:
- „Wenn wir das 30 ha Ziel ernst nehmen, dann müssen wir in unseren Kommunen in den nächsten Jahren…“
- „Wie können wir den Vorrang der Innenentwicklung konkret umsetzen?“
- „Wie erzeugen wir eine positive Einstellung zur interkommunalen Kooperation im Flächenmanagement bei Politik und Verwaltung?“

Die im Plenum zusammengetragenen Diskussionspunkte verdeutlichten die unterschiedlichen Handlungsbedarfe und die als möglich bzw. notwendig erachteten Veränderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung.